Wasserstoff­märkte mit unter­schiedlichem Potenzial

Man kann Märkte nach der Art der Kunden oder der Art der Anwendung klassifizieren. Eine alternative Sichtweise ist die Perspektive der Druckstufen im Wasserstoff und daraus abgeleitet die jeweilige Anwendung. Dies hilft, die eigentliche Marktstruktur zu erkennen.

Die Märkte

Druckloser Wasserstoff

In drucklosem Zustand findet Wasserstoff wenig Anwendung. Die Energiedichte, bezogen auf das Volumen, ist sehr klein. Daher lässt er sich so kaum speichern oder transportieren. Der Markt lässt sich hinsichtlich der Anwendungen in vier grosse Segmente einteilen: in den 700-bar-Markt, den 350-bar-Markt sowie in den Niederdruck-Markt (< 20 bar) und den Markt für SynFuels.

Der 700-bar-Markt – Pkw

Verdichtet man Wasserstoff auf 700 bar, benötigt die gleiche Energiemenge weniger Raum. Konkret: Tanks werden kleiner. Das ist ein klarer Vorteil.

Der Nachteil dabei: Es muss Energie aufgewendet werden, um Wasserstoff auf diese Druckstufe zu verdichten. Dies geschieht in Hochleistungskompressoren. Und damit steigen auch die Leistungs- und Sicherheitsanforderungen an die Infrastruktur (Verdichter, Leitungen, Tanks, Abfüllvorrichtungen, Sicherheit). Die Anlagen werden insgesamt teurer.

Wasserstoff mit 700 bar wird sich in jenen Anwendungen durchsetzen, in denen der Platzbedarf eine grosse Rolle spielt. Bei Pkw ist grundsätzlich wenig Raum vorhanden und damit ein kompakter Tank von grossem Vorteil. Über diesen Markt wird zwar viel geredet – wir halten hingegen den 350-bar-Markt für attraktiver.

Der 350-bar-Markt – Lkw, Busse, Züge

Verdichtet man nur auf 350 bar, hat man deutliche Vorteile. Die notwendige Anlagentechnik wird günstiger (Kompressor, Tanks sowohl für die Zwischenlagerung als auch in den Fahrzeugen, Sicherheitsanforderungen) und man benötigt weniger Energie für die Verdichtung. Der Nachteil: 350-bar-Tanks sind grösser als 700-bar-Tanks bei gleichem Fassungsvermögen.

Bei vielen Anwendungen spielt dies jedoch keine entscheidende Rolle. Lkw, Schiffe, Züge, Busse, kommunale Fahrzeuge – all diese Fahrzeuge sind gross, schwer oder bewegen grosse Lasten. Hinzu kommt, dass häufig weite Distanzen zurückgelegt werden.

Zudem kostet eine 700-bar-Wasserstofftankstelle derzeit weit mehr als 1 Mio. Franken. Eine 350-bar-Tankstelle ist wesentlich günstiger. Dasselbe gilt für die Betriebskosten.

Aus unserer Sicht steht daher die Erschliessung des 350-bar-Marktes in den nächsten zehn Jahren im Fokus. Zudem sind die Anforderungen an die Flächeninfrastruktur im Schwerlast- oder auch im Busverkehr deutlich geringer. Bereits wenige hundert leistungsfähige Lkw-/Bus-Tankstellen europaweit würden ausreichen, um ganze Schwerlast-Fahrzeugflotten oder den regionalen Nahverkehr dezentral zu versorgen.

Der Niederdruck-Markt

Den Niederdruck-Markt (< 20 bar) kann man sich im heutigen Gasnetz vorstellen – hier stehen Wärmeanwendungen im Vordergrund. Hier kommen zukünftig Brennstoffzellen oder Blockheizkraftwerke zur Anwendung. Die benötigten Wasserstoffmengen können in einer Übergangszeit dem Erdgas beigemischt werden. Das Stadtgas in Berlin hatte bis 1991 noch einen Wasserstoffanteil von über 50 Prozent. Wasserstoff ist in Gasleitungen also nichts Neues. Heute prüfen die zuständigen Genehmigungsbehörden die Erhöhung der erlaubten Beimischungsquoten – 20 Prozent Wasserstoffanteil im Gasnetz gelten als technisch kurzfristig machbar.

Langfristig kann diese Gasverteilnetzinfrastruktur auch als reines Wasserstoffnetz betrieben werden – bei 10 bar und tiefer. Brenngeräte benötigen einen deutlich tieferen Druck (im Millibarbereich).

Warum ist das interessant: Gasnetze sind nicht nur sehr leistungsfähige Energietransportleitungen (eine Gasleitung kann deutlich höhere Energiemengen transportieren als eine Stromleitung), sondern gleichzeitig kann in den Gasrohren auch eine grosse Energiemenge gespeichert werden. Die Speicherkapazität allein des deutschen Gasnetzes wird gemäss DVGW (Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V.; entspricht dem Schweizerischen Verein des Gas- und Wasserfaches (SVGW) in der Schweiz) auf über 200 Milliarden Kilowattstunden angegeben.

Der Markt für synthetische Kraftstoffe

Für verschiedene Anwendungen werden Umstellungen auf einen klimaneutralen Betrieb technisch sehr anspruchsvoll bis gar unmöglich. Beispielsweise erscheinen Langstreckenflugzeuge mit Batterie- oder Brennstoffzellen derzeit eher als unwahrscheinlich. Das Gewicht der Batterien, Brennstoffzellen und Treibstofftanks wäre schlicht zu hoch.
Dennoch kann ein klimaneutraler Betrieb ermöglicht werden – durch synthetische Kraftstoffe. Und hier kommt wieder Wasserstoff ins Spiel.

Wasserstoff ist ein Grundbaustein für die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen. Wird dieser mit Kohlenstoffdioxid, also CO2, zur Reaktion gebracht, können aus Wasserstoff synthetisches Erdgas und flüssige Kraftstoffe hergestellt werden wie beispielsweise Diesel, Benzin oder Kerosin (Power-to-Liquid).

Diese synthetischen Kraftstoffe können in Autos, Lkw, Containerschiffen und Flugzeugen direkt eingesetzt werden. Bei der Verbrennung wird das CO2 freigesetzt, das zuvor im Prozess gebunden wurde. Synthetische Kraftstoffe, die mit grünem Wasserstoff erzeugt wurden, gelten daher als klimaneutral.

Weitere Vorteile: Bei der Verbrennung werden deutlich weniger Schadstoffe wie Stickoxide freigesetzt. Die bestehende Infrastruktur kann genutzt werden. Und: Man kann eine hohe Wertschöpfungstiefe in Europa generieren.

Auch wenn dem derzeit noch ein niedriger Wirkungsgrad entgegensteht und ein verhältnismässig hoher Preis dafür bezahlt werden muss, für Klimaneutralität sind synthetische Kraftstoffe eine Option mit hohem Marktpotenzial.